Nachhaltig verhalten in der Klimakrise

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Nachhaltig verhalten in der Klimakrise

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann

Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann

Die Klimakrise mit ihren bereits jetzt schwerwiegenden Auswirkungen für uns Menschen wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbränden, Stürmen und verstärkt auftretenden tropischen Krankheiten, geht auf unser nicht-nachhaltiges Verhalten wie eine ausufernde Mobilität, einen zu hohen Konsum tierischer Produkte und einen zu hohen Energieverbrauch zurück. 

 

Warum handeln wir nicht nachhaltig?

Die Ärmsten der Welt, die 50 % der Weltbevölkerung ausmachen, sind am meisten von der Klimakrise betroffen und tragen im Vergleich zu den Reichsten der Welt, die nur 1 % der Weltbevölkerung ausmachen, am wenigsten bei. Das heißt, der Kohlenstoff-Fußabdruck der reichsten Menschen der Welt kann bis zu 687 Tonnen Kohlenstoffemissionen pro Jahr betragen, verglichen mit dem globalen Durchschnitt von 7 Tonnen (Vereinte Nationen, 2020). Das Ausmaß dieser schädlichen Emissionen von Menschen mit höherem Einkommen nimmt auch noch zu. Insgesamt wurde mehr als ein Drittel (37 %) des Anstiegs der klimawirksamen Emissionen zwischen 1990 und 2015 von 5 % der Weltbevölkerung verursacht.

Aufgrund unzureichender politischer Maßnahmen auf nationaler und globaler Ebene Anreize und Regelungen zu schaffen, spielen Einzelpersonen, Gemeinden, Unternehmen und die Zivilgesellschaft insgesamt eine entscheidende Rolle bei der Überwindung der oben beschriebenen Ungerechtigkeiten und schädlichen Folgen.

Tatsächlich kann der Einzelne durch die Verringerung seines CO2-Fußabdrucks, der in typischen Industrieländern 45-55 % des gesamten Energieverbrauchs ausmacht (Vereinte Nationen, 2020), wesentlich zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen. Warum handeln wir also nicht nachhaltig? Was sind die Möglichkeiten, unser Verhalten zu ändern und als Gesellschaft umzudenken?

Wege zu mehr Nachhaltigkeit

Als wenig wirksam haben sich Strategien erwiesen, die auf Wissenserwerb und/oder neue nachhaltigkeitsbezogene Einstellungen hinwirken. Wesentlich effizienter sind erstens die Nutzung von sozialem Einfluss und Vorbildverhalten zur Förderung nachhaltigen Verhaltens sowie zweitens emotionsbasierte Strategien und drittens die Einbeziehung von Medien, am besten jedoch alle drei Strategien in Kombination miteinander.

Das soziale Umfeld prägt Verhaltensweise

Die erste Strategie, nämlich die Nutzung sozialen Einflusses ist deswegen eine wirksame – wenn auch oft vernachlässigte Möglichkeit menschliches Verhalten zu verändern, weil Individuen sich um die Meinung anderer über sie sorgen. Das Verhalten eines Individuums wird durch das Streben nach einem hohen sozialen Ansehen bei gleichzeitiger Vermeidung von Missbilligung beeinflusst. Deshalb beobachtet und imitiert der Einzelne das Verhalten anderer. Es wurde jedoch festgestellt, dass bestimmte Personen, die als „Meinungsführer“ bezeichnet werden, zentraler, d. h. einflussreicher sind als andere. Je nach dem Verhalten, das sie an den Tag legen, können sich diese Meinungsführer als positive oder negative Vorbilder erweisen und somit eine Veränderung hin zu einem nachhaltigen Verhalten begünstigen oder verhindern.

Menschen geben Verantwortung für ihr Verhalten ab

Eine zweite Strategie besteht darin, Emotionen für die Bewältigung der Klimakrise zu nutzen, weil sie helfen, die negativen Folgen des klimaschädlichen Verhaltens besser wahrzunehmen und als moralisches Problem zu begreifen. Kommt es dadurch jedoch zu Schuldgefühlen, wird nicht zwangsläufig das Verhalten verändert, sondern in einigen Fällen wenden Personen psychologische Strategien an, um zu verhindern, dass sie diese negativen Gefühle empfinden. Diese Strategien umfassen unter anderem die Verleugnung, die Diffusion oder die Delegation von Verantwortung für das eigene für andere schädliche Verhalten, zusammengefasst unter dem Begriff der moralischen Entkopplung („Moral Disengagement“). Um Menschen dazu zu bringen, sich weniger klimaschädlich zu verhalten, müssen sie sich des Leidens anderer bewusst sein, erkennen, dass dies gegen ihre eigenen Normen verstößt, und lernen, auf eine Weise zu handeln, die mit moralischen Normen in Einklang steht, so dass selbstlobende Emotionen wie Stolz antizipiert und selbstverurteilende Emotionen wie Schuld als Folge dieses alternativen Verhaltens verhindert werden können.

Berichterstattung als Schlüssel für nachhaltiges Verhalten

In einer eigenen Untersuchung (Stoll-Kleemann et al. 2022), die auf einer repräsentativen deutschen Stichprobe beruht mit insgesamt 979 TeilnehmerInnen, untersuchen wir, ob gängige Prinzipien der COVID-19-Pandemieberichterstattung (regelmäßige Berichterstattung, Fokus auf Opfer, die Fremd- und Selbstmitleid verursachen) strategisch auf die Klimakrisenberichterstattung angewendet werden können. So haben wir sie mit der Anzahl der Hitzetoten der Hitzetoten (über 10 000 Menschen) in Deutschland im Jahr 2018 konfrontiert. Die vorherrschende emotionale Reaktion war Schock, gefolgt von Überraschung, Berührt-Sein und Schmerz/Trauerempfinden. Seltener berichteten die Teilnehmer von Wut, Angst/Sorge, Mitgefühl, Hilflosigkeit und zumindest Schuldgefühlen. In anderen Untersuchungen waren jedoch Emotionen wie Hilflosigkeit, Enttäuschung und Wut ebenfalls sehr häufig. Da in unserer Studie die Emotionen jedoch zu einem bestimmten Sachverhalt abgefragt wurden, ist es auch plausibel, dass die Verteilung anders ist.

Auch gaben die TeilnehmerInnen an, sich weniger klimaschädlich zu verhalten, wenn solche Informationen (z. B. die Zahl der hitzebedingten Todesfälle) glaubwürdig sind (allerdings bezweifelten 16 %, dass die gegebenen Informationen korrekt waren) und regelmäßig und zuverlässig berichtet werden. Dies steht im Einklang mit der aktuellen Literatur, wonach die Medienpräsenz umweltbezogener Nachrichten das Umweltbewusstsein und die wahrgenommene persönliche Verantwortung positiv vorhersagt.

Es scheint, dass die Konfrontation mit der Notlage anderer Menschen eine überwiegend unangenehme emotionale Reaktion auslöst. Moralische Motivation könnte also durch die Konfrontation mit aktuellen Ereignissen und der Situation anderer Menschen aktiviert werden. Dies könnte insbesondere die Motivation auslösen, das eigene Verhalten zu überdenken und den Schwerpunkt darauf zu verlagern, die Schwachen vor vermeidbaren Notlagen zu schützen.

Die Ergebnisse zeigen, dass die TeilnehmerInnen ihr klimabezogenes Verhalten wahrscheinlich ändern würden, wenn die Medienberichterstattung ähnlich wie bei der COVID-19-Pandemie wäre. Dies beruht auf der Annahme, dass die TeilnehmerInnen ihr eigenes Verhalten erfolgreich mit den Folgen des Klimawandels für andere in Verbindung bringen und daran häufiger erinnert würden.

Emotionen beeinflussen Umgang mit der Klimakrise

In diesem Zusammenhang scheint es wichtig, dass die Ursachen, Folgen und Wege zur Bewältigung der Klimakrise für die RezipientInnen greifbar werden, damit sie die Kausalkette zwischen ihrem eigenen Verhalten und dem Leid anderer verstehen. Bilder, die die Folgen der Klimakrise zeigen, lösen emotionale Reaktionen aus. Im Einklang mit einer solchen authentischen und glaubwürdigen Art der Kommunikation des Klimawandels erscheint es sinnvoll, mit persönlichen Geschichten zu arbeiten:

Das Zuhören einer persönlichen Geschichte über die Folgen des Klimawandels steigert die Sorge und das Mitgefühl. Durch die Verringerung der psychologischen Distanz zum Klimawandel und die Förderung der Erfahrungsverarbeitung und der assoziativen Bewertung können erzählbasierte Kommunikationsstrategien ein wirksames Instrument zur Förderung des Engagements für den Klimawandel darstellen.

Rationale Informationen alleine bleiben dagegen oft wirkungslos, was eine Verhaltensveränderung angeht, während die Konfrontation mit dem Schicksal konkreter Menschen zu Mitgefühl und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu Verhaltensveränderungen führt

Festzuhalten bleibt, dass die Konfrontation mit Informationen über die Opfer des Klimawandels zu moralischen emotionalen Reaktionen führt. So haben die Teilnehmer der Studie angegeben, dass sie ihr Verhalten ändern würden, wenn sie täglich mit solchen Medienberichten konfrontiert würden.

Dieser kurze Einblick in die Forschung über Emotionen als Hindernisse und Motivatoren für ein kohlenstoffarmes Verhalten erklärt also auch die Notwendigkeit einer wiederholten emotionalen Exposition. Die Tatsache, dass die TeilnehmerInnen  der oben vorgestellten Studie als Reaktion auf die Nachrichteninhalte die Wahrscheinlichkeit einer persönlichen Verhaltensänderung im Falle einer verstärkten Berichterstattung über den Klimawandel als hoch einstuften, lässt hoffen, dass täglich präsentierte Nachrichten über die Klimakrise das Potenzial haben, nachhaltigeres Verhalten zu fördern. Ich komme zu dem Schluss, dass sowohl die Häufigkeit als auch der Inhalt der Medienberichterstattung, die mit – insbesondere moralischen – Emotionen verknüpft sein sollte, wichtig ist, um Menschen zu motivieren, ihr Verhalten zu ändern.

Verhaltensänderung durch positive Botschaften

Es sind jedoch nicht nur negative Emotionen wie Schuldgefühle, die als moralische Motivation zum Handeln dienen können. Selbstlobende Emotionen wie Stolz können zur Aufrechterhaltung von Handlungen führen. Wenn die Medien Möglichkeiten aufzeigen, sich nachhaltig zu verhalten, zeigen sie auch einen Weg, „positive“ Emotionen wie Stolz zu erleben.  Es ist demnach davon auszugehen, dass solche Medieninhalte den Menschen helfen, konkrete Wege zu nachhaltigen Verhaltensweisen zu finden. Da sozialer Einfluss ein wirksames Mittel zur Einleitung von Verhaltensänderungen ist, könnte eine Strategie darin bestehen, Meinungsführer sichtbarer zu machen, da sie als Vorbilder für ein solches Verhalten dienen können.

Zitierte Quelle, eignet sich auch hervorragend zur Vertiefung der Inhalte dieses Gast-Beitrages:

Stoll-Kleemann, S., Nicolai, S., Franikowski, P. (2022) Exploring the Moral Challenges of Confronting High-Carbon-Emitting Behavior: The Role of Emotions and Media Coverage. Sustainability, 14, 5742. https://doi.org/10.3390/su14105742

 

Über Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann:

Prof. Dr. Susanne Stoll-Kleemann leitet seit 2008 den Lehrstuhl für Nachhaltigkeitswissenschaft und Angewandte Geografie sowie den Masterstudiengang Nachhaltigkeitsgeographie an der Universität Greifswald. Die aktuellen inhaltlichen Schwerpunkte der Studie liegen auf der Erforschung der individuellen und kollektiven Barrieren und Voraussetzungen für eine grundlegende Nachhaltigkeitstransformation.