Dr. Tabea Broecker, Berliner Wasserbetriebe
In einer partnerschaftlichen Initiative zwischen dem InfraLab und der Stadt wird der Aufbau eines berlinweiten LoRaWAN vorangetrieben, das den Anforderungen kritischer Infrastrukturbetreiber entspricht. In einer neuen Interview-Reihe stellen wir Euch das Projekt und die dahinterstehenden Expertinnen und Experten aus dem InfraLab vor. Was das Netz für die Berliner Wasserbetriebe bedeutet, haben wir bei Dr. Tabea Broecker aus dem Team Forschung und Entwicklung nachgefragt. Viel Spaß beim Lesen!
1. Liebe Tabea, im Kontext einer „Smart City“: Was ist für Dich smarte Wassernutzung?
In einer „Smart City“ wird das enorme Potenzial der Digitalisierung genutzt, um den Herausforderungen im urbanen Raum in verschiedenen Sektoren entgegen zu treten. Die Wasserwirtschaft bildet hierbei einen wichtigen Sektor, welcher die Trinkwasserver-, die Abwasserentsorgung, aber auch die Regenwasserbewirtschaftung umfasst. Bei einer smarten Wassernutzung dienen innovative Technologien und intelligente Systeme dazu, die vorliegenden Wasserressourcen effizient zu nutzen und zu verwalten. Hierfür spielen die Erfassung und Auswertung von Daten eine entscheidende Rolle. So können beispielsweise Wasserverbräuche in Echtzeit überwacht, Leckagen und Rohrbrücke schnell erkannt und auch die Wasserqualität kontinuierlich überprüft werden. Auch auf Starkregenereignisse kann in einer Smart City rechtzeitig reagiert werden: Modellierungen zur Erkennung von potentiellen Gefahrenstellen sowie Echtzeit-Daten zu Wasserständen und Niederschlägen dienen einer frühzeitigen Warnung. Wichtig neben den einzelnen intelligenten Lösungen aus dem Wassersektor ist aber vor allem auch eine möglichst ganzheitliche Betrachtung. Dies bedeutet u.a. eine Vernetzung des Wasser-Sektors mit anderen Bereichen wie beispielsweise der Energiebranche oder dem Verkehr.
2. Für welche konkreten Anwendungen oder Pilotprojekte nutzen die Wasserbetriebe bereits LoRaWAN?
LoRaWAN bietet den Berliner Wasserbetrieben (BWB) durch die hohe Flexibilität und Skalierbarkeit bei gleichzeitig geringem Energiebedarf zahlreiche Vorteile, vorhandene Betriebsabläufe nachhaltig zu verbessern. Durch die große Reichweite ist der Einsatz im ganzen Stadtgebiet realisierbar und ermöglicht auch die Erschließung in bislang schwer zugänglichen Orten bei gleichzeitig weitgehender Energieautarkie. Es gab in der Vergangenheit bereits verschiedene Anwendungsfälle innerhalb der BWB u.a. im Bereich des Abwassers und des Regenwassers. Im Forschungsprojekt SENSARE, koordiniert durch die BWB, wurden beispielsweise Wasserstandsmessungen aus Kanal- sowie aus Straßenablaufschächten via LoRaWAN übertragen, um Überflutungen besser vorhersagen zu können. Im Projekt „WaterGridSense 4.0“ wurde LoRaWAN verwendet, um u.a. Rohrabschnitte im Kanal zu untersuchen, an denen normalerweise keine Messungen vorgenommen werden können. Zudem wurden an Straßenabläufen oberflächennah Sensoren eingebracht, um u.a. den Reinigungsbedarf gezielt ermitteln zu können.
Mit dem Aufbau und Betrieb eines LoRaWAN-Funknetzwerks innerhalb des Stadtgebietes Berlins in Kooperation mit dem InfraLab stehen nun einige weitere Anwendungen im Fokus. Hierzu zählen unter anderem die Wasserzähler-Fernauslese in Schächten, welche bislang mit einem hohen Aufwand verbunden war. Durch eine zyklische Erfassung der Daten können nun zum einen Kosten für die Ablesung gespart werden, aber auch eine frühzeitige Leckageerkennung ist dadurch möglich. Es ist außerdem geplant Schwefelwasserstoff im Abwasserbehandlungssystem zu erfassen und via LoRaWAN zu übertragem. Neben der Gefahr durch Korrosion an den jeweiligen Bauwerken ist Schwefelwasserstoff ab einem gewissen Grenzwert gesundheitsschädlich. Daher dient eine Echtzeiterfassung u.a. der Arbeitssicherheit des Personals, aber auch der Erhaltung von Bauwerken durch entsprechende Maßnahmen bei frühzeitiger Erkennung. Zudem soll LoRaWAN im Bereich der Wasserbilanzierung zeitnah bei den BWB eingesetzt werden. Im Projekt „Wohnen auf den Buckower Feldern“ soll durch kontinuierliche Messungen gezeigt werden, dass auch bei schwierigen Bodenverhältnissen eine Regenwasserbewirtschaftung im Sinne einer Schwammstadt möglich ist.
3. Inwiefern spielt LoRaWAN eine Rolle, um die Stadt resilienter gegenüber den Folgen des Klimawandels zu machen?
LoRaWAN kann eine entscheidende Rolle spielen, den Herausforderungen hervorgerufen durch den Klimawandel, entgegenzutreten. Die große Reichweite bei minimalen Energieverbrauch bildet zunächst eine gute Grundlage, Auswirkungen durch den Klimawandel auf die städtische Infrastruktur zu erfassen. So können Messungen zu Luftqualität, Temperatur oder Feuchtigkeit von Boden und Luft kontinuierlich festgehalten werden. Darauf aufbauend sind im Anschluss natürlich entsprechende Maßnahmen von Bedeutung. Gerade bei Extremwetterereignissen wie Starkregen oder Dürren können flächendeckende Echtzeitdaten dazu dienen, Überflutungspotentiale sowie sinkende Grundwasserpegel frühzeitig sichtbar zu machen und Reaktionszeiten im Krisenfall entscheidend zu verkürzen. Auf diese Weise können Risiken minimiert, aber auch Schäden und Kosten möglichst geringgehalten werden.
Auch die kontinuierliche Erfassung und Auswertung von Daten über längere Zeiträume ermöglicht es, Wasserverbräuche zu reduzieren und Energieverbräuche zu optimieren. LoRaWAN kann auf diese Weise dabei unterstützen, sich den Herausforderungen des Klimawandels entsprechend anzupassen und gleichzeitig Umweltbelastungen zu reduzieren.
Hier kommt ihr zu Teil 1 unserer Reihe: Smartes Berlin – InfraLab Berlin