Wie wird eine Stadt smart? Die IoT-Infrastruktur LoRaWAN erklärt.

Share this post

Dr. Sören Frischke, Mitglied im InfraLab Expertenkreis Shared Data

Wir stellen Euch ein Digitalisierungsthema vor, mit dem sich viele Städte auf dem Weg zur Smart City auseinandersetzen: LoRaWAN. Im InfraLab ist Dr. Sören Frischke Moderator der gleichnamigen Arbeitsgruppe. Wir haben bei ihm nachgefragt, was LoRaWAN kann und wie es um den Einsatz in Berlin steht:

Lieber Sören, was bedeutet LoRaWAN eigentlich?

Ein LoRaWAN – „Long Range Wide Area Network“ – ist ein Funknetz, welches einer internationalen Spezifikation folgt und die Übertragung von Daten über weite Strecken ermöglicht. Wäre Berlin ein Lebewesen, dann wäre ein LoRaWAN ein Nervenstrang für die Übertragung von Informationen, von der eine digitale Stadt lebt.

Warum benötigen wir LoRaWAN? – Informationen können doch auch per Mobilfunk übertragen werden.

LoRaWAN funktioniert tatsächlich wie ein Mobilfunknetzwerk. Daten werden von Sendeeinheiten an einen Funkmast und von dort an einen Rechner übertragen, z.B. über das Internet. Es gibt jedoch drei große Unterschiede:

 

 

  • Die LoRa-Sendeeinheiten kosten einen Bruchteil der Sendeeinheit eines Mobiltelefons. Dadurch werden die Kosten zum Übertragen der Messwerte von Sensoren günstiger.
  • Der Energieverbrauch der LoRa-Sendeeinheiten ist sehr gering. Eine Sendeeinheit kann mit einer Batterieladung bis zu mehrere Jahre autark betrieben werden.
  • Die Funkwellen haben eine hohe Gebäudedurchdringung und ermöglichen einen Sensoreinsatz an Orten, an denen es keinen Mobilfunk-Empfang gibt.

Mit diesen Merkmalen eignet sich LoRaWAN hervorragend für IoT-Anwendungen.

Was heißt IoT-Anwendung?

IoT, das so genannte Internet of Things, kann man wörtlich mit „Internet der Dinge“ übersetzen. Das heißt, dass heute „Dinge über ein Netzwerk miteinander kommunizieren“. Nehmen wir z.B. einen CO2-Sensor, der die Luftqualität im Klassenraum einer Schule erfasst. Dieser könnte, vereinfacht gesagt, mit dem Mobiltelefon der Lehrerin „sprechen und sagen“, dass es an der Zeit ist, durch eine Lüftungspause die Aufmerksamkeit der Lernenden zu erhöhen.

In unserem Beispiel könnten Sensor und Mobiltelefon ein LoRaWAN als Kommunikationsmittel nutzen. Dazu wird der CO2-Wert auf einem LoRaWAN-Server sicher abgelegt. Die Anwendung auf dem Mobiltelefon der Lehrerin holt sich die Daten vom LoRaWAN-Server ab.

Also entsteht der Zusatznutzen von LoRaWAN erst durch die Arbeit mit den Daten?

Ja. Der Anwender kann die Daten, die er erhoben hat beliebig nutzen, teilen und mit anderen Daten verschneiden. Das Herstellen eines Zusatznutzens durch Arbeit mit Daten kann als digitale Wertschöpfung bezeichnet werden. Ein LoRaWAN eröffnet seinen Anwender:innen die Möglichkeit dazu. Das LoRaWAN allein, also ohne die Sensoren und die Datenverarbeitung, ist ziemlich unsexy. Es ist „lediglich“ ein wesentlicher Nervenstrang einer digitalen Stadt.

Wie weit ist die Entwicklung von LoRaWAN-Anwendungen in Berlin?

In Berlin gibt es seit Jahren eine aktive LoRaWAN-Community, die ein lebendiger Teil des internationalen TheThingsNetwork ist. Mitglieder der Community installieren auf ihren Balkonen und in ihren Wohnungen selbst Antennen und stellen diese anderen Mitglieder:innen des Netzwerkes kostenfrei für die Datenübertragung zur Verfügung. Genutzt werden Sensoren, z.B. zum Messen von Temperatur, Feinstaub, Helligkeit oder Parkraumbelegung. Einen hervorragenden Rahmen für Anwendungen auf Basis des TheThingsNetwork liefert die Plattform „Stadtpuls.com“, die die Technologiestiftung auf die Beine gestellt hat. Hier werden Privatpersonen, Unternehmen und das Land dabei unterstützt, erste Pilotprojekte mit LoRaWAN zu realisieren.

Das TheThingsNetwork kann jedoch die Anforderungen nicht abdecken, die Wirtschaftsunternehmen im Bereich der kritischen Infrastruktur (KRITIS), beispielsweise nach §8a BSI-Gesetz, an die Netzabdeckung, sowie an die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Datenübertragung stellen müssen.

Im Bereich wirtschaftlicher Anwendungen gibt es Initiativen an Zukunftsstandorten, wie dem Standort Adlershof oder der Urban Tech Republik. Daneben gibt es erste Pilotprojekte der Infrastrukturbetreiber. So wurde z.B. im Projekt SENSARE durch die Berliner Wasserbetriebe eine Applikation zur Verbesserung der Vorhersage von Überflutungsereignissen durch Starkregen erarbeitet. Im selben Projekt testete Stromnetz Berlin eine Anwendung zur Verkürzung der Wiederversorgungszeit bei Stromausfällen. Mit einem Piloten zur Verkehrszählung in Pankow war bereits auch eine erste kommunal getriebene LoRaWAN-Anwendung in Berlin erfolgreich.

Bestehende Initiativen zeigen das Potential eines eigenen kommunalen LoRaWAN. Die Initialzündung für den Aufbau eines LoRaWAN in Berlin hat es bisher leider noch nicht gegeben.

Warum sagst Du „leider“?  – Vielleicht gibt es in Berlin ja doch nicht genügend Bedarf?

Im InfraLab haben in diesem Jahr ca. 25 Ingenieur:innen, Projektleiter:innen sowie Strateg:innen der Mitgliedsunternehmen mit den Machern gesprochen, die in Städten wie Wuppertal, Hamburg oder in einem Land wie Baden Württemberg bereits ein LoRaWAN ausgerollt haben. Es gab eine Recherche zum aktuellen Einsatz von LoRaWAN in Deutschland und eine Abschätzung der voraussichtlichen Nutzung eines LoRaWAN durch die Mitgliedsunternehmen. Es konnten zahlreiche Anwendungsfälle identifiziert werden, für die die Infrastrukturunternehmen ein Berliner LoRaWAN nutzen würden.

Der Aufbau eines LoRaWAN erfolgt üblicherweise vor dem Hintergrund der digitalen Daseinsvorsorge und mit dem Ziel, das Netz später wirtschaftlich zu betreiben. Die Devise ist: Wenn das Netz steht, kommen die Anwendungen von ganz allein. Es ist im Vorfeld nicht seriös prognostizierbar, welche Anwender:innen und Anwendungen den Aufbau des LoRaWAN später refinanzieren werden. Inwieweit und durch wen es zu einer Umsetzung kommen wird, ist von Entscheidungen abhängig, die auch außerhalb des InfraLab getroffen werden. Digitalisierungsexperte Christoph Bornschein formulierte kürzlich sehr passend „Bildet Banden!“.